5 Dinge auf die wir beim Videoschnitt achten
Wir haben gerade einen neuen Kurs zum Videoschnittprogramm Final Cut Pro X veröffentlicht. Heute möchten wir dir passend zum Kurs ein paar Dinge mit auf den Weg geben, die wir die letzten Jahre gelernt haben.
Wichtig hierbei: Die genannten Tipps funktionieren für uns und unsere Videos. Es gibt aber sicherlich auch andere Rezepte, an die man sich für tolle Videos halten kann. Daher ist dieser Artikel kein Gesetz, sondern lediglich wohl gemeinte Ratschläge aus unseren Erfahrungen :)
1. Die Geschichte
Wir alle sind Menschen (hoffe ich doch!). Und es stellt sich heraus, dass wir Menschen tatsächlich auf Geschichten abfahren. Egal ob mit Freunden am Lagerfeuer, als Kind auf dem Schoß von Oma oder aber alleine auf der Couch mit einem tollen Buch: Wir lieben Geschichten!
Und Videos sind nichts anderes – nur eben in einem anderen Medium. Und mit dem feinen Unterschied, dass unsere Reise-Geschichten tatsächlich passiert sind. Eine Geschichte funktioniert aber nur, wenn sie auch gut erzählt wird. Deshalb ist es unfassbar wichtig, dass ihr im Video erklärt, was ihr warum macht und wie ihr euch dabei fühlt. Denn nur so kann ich mich als Zuschauer in eure Lage hineinversetzen und mich mit euch identifizieren. Viele von euch konnten beispielsweise mit uns in Norwegen mitleiden, als Sophies Motorrad eine Panne hatte. Solche Momente machen eine Geschichte aus.
Im besten Fall ist daher bereits das Rohmaterial relativ interessant und erzählt eine solide Geschichte, sodass ihr im Schnitt nicht mehr viel erzählen und strukturieren müsst. In der Realität ist das aber nicht immer der Fall, da man nicht die ganze Zeit die Kamera laufen hat und manchmal wichtige Ereignisse nicht auf Kamera hat. Man muss also im Schnitt Filmlücken erklären und damit Wissenslücken der Zuschauer füllen, damit dieser der Geschichte folgen kann.
2. Musik
Das durchschnittliche Motorradvideo ist dafür bekannt, dass es gefüllt ist mit langen Straßenpassagen und krasser Dance-Mucke. Gibt sicher Leute, die darauf stehen – ich persönlich zähle aber nicht dazu. Musik sollte in meinen Augen vor allem dazu verwendet werden, um Emotionen zu verstärken. Und Armin Van Buuren (oder noch besser: Scooter) in Kombination mit romantischen Bergstraßen verursacht bei mir persönlich keine Gänsehaut.
Auch die berühmte Copyright-Free Music (also Copyright-freie Musik) ist für unsere Videos eher nichts. Das ist häufig komplett belangloses und emotionsloses Klingklang ohne Hand und Fuß. Diese Songs wurden produziert, um zu jeder Art Video (Interview, Werbung, Firmen-Blabla, Reisevideo, Vlog, Produkttests,...) irgendwie zu passen – deshalb passen sie am Ende in kein Video so richtig.
Wir bekommen unsere Musik vor allem von Epidemic Sound. Das kostet ein paar Euro im Monat, die Musikauswahl ist aber unfassbar episch. Man fühlt sich wie Hans Zimmer, wenn man sich durch die Bibliothek von Epidemic Sound arbeitet. Sehr zu empfehlen! Hier gibt's nen 30-tägigen Trial, den ihr gerne ausprobieren und direkt kündigen könnt. So müsst ihr nix zahlen und könnt den Spaß mal ohne Risiko testen. Ich bin mir sicher, ihr könnt danach nie wieder zurück zu Copyright-freier Mucke gehen.
Für Musik zu zahlen mag zwar für den ein oder anderen uncool klingen, aber einen Tod muss man sterben: Entweder du willst Qualität, oder du willst kostenlos. Beides auf einmal gibts nicht. Und allein mit unserem Dank kann der Musiker schließlich nicht seine Miete bezahlen.
Wer 100 Stunden an seinem Video schneidet und dann kostenlose Kack-Musik drüberklatscht, ist nicht besser als die Leute, die 3 Tage Spareribs einkochen lassen und diese dann am Ende in die Fritöse schmeißen.
Nicht persönlich nehmen, ich habe ein empfindliches Verhältnis zu Musik. Ich liebe einfach gute Musik!

3. Pacing
"Pace" ist Englisch und bedeutet soviel wie "Geschwindigkeit". Beim Pacing geht es also um die "Geschwindigkeit" des Videos. Konkret heißt das, dass wir schnelle und langsame Passagen im Video haben, die sich im besten Fall abwechseln.
Stellt euch einen James Bond Film vor, in dem von der ersten Minute an über 90 Minuten nur ununterbrochen geballert wird. 90 Minuten volle Kanone mit Explosionen, herumfliegenden toten Bösewichten und krassen Stunts. Spätestens nach 10 Minuten ist man als Zuschauer nicht mehr so krass geflasht wie zu Beginn. Bei Minute 30 wirds dann etwas öde. Und nach einer Stunde haben bestimmt einige von uns schon zu Germany's Next Topmodel gewechselt. Zu viel ununterbrochene Action ist nicht gut!
James Bond enthält meist zu Beginn ein paar Minuten Action, um den Zuschauer direkt zu beeindrucken. Dann aber beruhigt sich wieder alles und wir sehen ein paar Dialog-Szenen sowie schöne Landschaft – meist wird hier die übergreifende Story oder das Problem erklärt. Dann aber stolpert Bond wieder über Bösewichte, es geht also wieder ordentlich ab. Kurz darauf beruhigt es sich wieder....
Ihr seht das Pattern / Muster: Jeder Actionszene folgt eine ruhige Szene. Jeder ruhigen Szene folgt dann aber wieder eine Actionszene. Die Action haut viel mehr auf die Fresse, wenn wir zuvor die Stille eines japanischen Gartens (oder einen "öden" Dialog) genießen konnten.
Und genau so sollten Youtubevideos auch sein. Nicht 100% der Zeit Vollgas, sondern auch mal ein paar Sekunden Zeit zum Atmen und Nachdenken. Konkret heißt das in unseren Videos beispielsweise, dass wir krasse Fahrszenen mit heftiger Mucke zeigen und dann aber eine Minute später in absoluter Stille unser Zelt an einem romantischen Ort aufbauen. Am nächsten Tag (im Video eine Minute später) gibt's dann mit krasser Motorrad-Action wieder voll aufs Maul.
Behaltet daher das Stichwort "Pacing" immer im Hinterkopf.
4. Keep it simple
Wenn man sein Filmmaterial selbst dreht (wie es wohl 99% von uns tun werden), war man logischerweise überall vor Ort live dabei. Man hat das Filmmaterial und die damit verbunden Erinnerungen. Das Problem hierbei ist, dass man im Schnitt daher schnell viele Dinge als "logisch" abstempelt, da man selbst den größeren Zusammenhang versteht. Oftmals sind die Geschehnisse für den unbefangenen Zuschauer, der nicht live dabei war, aber nicht so logisch wie für den Filmer.
Für mich als Filmer war es beispielsweise logisch, dass Sophie nach einer Fährüberfahrt 'nen dicken Hals auf mich hatte. Denn wir hatten uns vor der Überfahrt gestritten (was wir nicht gefilmt haben). Für mich ist es daher nicht komisch, dass Sophie in den Szenen nach der Fähre etwas schlechte Laune hat. Als Zuschauer hingegen, fragt man sich aber, warum Sophie auf einmal so mies drauf ist – man hat den Streit vor der Fähre schließlich weder live erfahren noch im Video gesehen.
Nun hat man im Schnitt die Wahl: Erkläre ich Sophies Laune und unseren vorangegangen Streit? Oder schneide ich Sophie einfach komplett raus, sodass der Zuschauer von der ganzen Aktion gar nichts mitbekommt? Meist – und das gebe ich ungerne zu – schneide ich in solchen Fällen lieber alles verwirrende einfach raus.
Was für euch als Filmer logisch erscheint, ist für Zuschauer häufig komplett verwirrend. Das ist zwar schade, aber wir müssen uns dem simplen Denken der Zuschauer anpassen. Der Zuschauer weiß vielleicht nicht einmal, dass Sophie und ich in einer Beziehung sind. Der Zuschauer hat vielleicht noch nicht die vorherigen Videos gesehen, die zu diesem Punkt geführt haben. Der Zuschauer weiß eventuell sogar gar nicht, dass wir hier gerade in Norwegen sind – für ihn könnte es genau so gut eine Rheinüberquerung per Fähre sein.